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Wirksamkeit einer formularmäßigen Einwilligung in Datenspeicherung und Datennutzung für die Zusendung von Werbung per Post
BGH, Urteil vom 11. November 2009 - VIII ZR 12/08

Fundstelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 228/2009

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Die Beklagte organisiert und betreibt das Kundenbindungs- und Rabattsystem "HappyDigits". Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung von Klauseln in Anspruch, die diese in ihren Anmeldeformularen verwendet. Im Revisionsverfahren hatte der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs noch über die Wirksamkeit zweier Klauseln zu entscheiden.

Die erste, in der Mitte des Formulars platzierte und zusätzlich umrandete Klausel, deren Verwendung das Berufungsgericht untersagt hat, lautet:

"Einwilligung in Beratung, Information (Werbung) und Marketing

Ich bin damit einverstanden, dass meine bei HappyDigits erhobenen persönlichen Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum) und meine Programmdaten (Anzahl gesammelte Digits und deren Verwendung; Art der gekauften Waren und Dienstleistungen; freiwillige Angaben) von der D GmbH [...] als Betreiberin des HappyDigits Programms und ihren Partnerunternehmen zu Marktforschungs- und schriftlichen Beratungs- und Informationszwecken (Werbung) über Produkte und Dienstleistungen der jeweiligen Partnerunternehmen gespeichert, verarbeitet und genutzt werden. [...] Sind Sie nicht einverstanden, streichen Sie die Klausel [...]"

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klausel wirksam ist. Sie betrifft allein die Einwilligung in die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten für die Zusendung von Werbung per Post sowie zu Zwecken der Marktforschung. Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat (Urteil vom 16. Juli 2008 - VIII ZR 348/06 - "Payback"), bilden die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) insoweit den alleinigen Prüfungsmaßstab für die Frage, ob durch eine solche Einwilligung Regelungen vereinbart worden sind, die im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen.

Unter dem Gesichtspunkt datenschutzrechtlicher Bestimmungen ist die Klausel nicht zu beanstanden. Danach kann die Einwilligung in die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung von Daten zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, sofern sie - wie hier - besonders hervorgehoben wird. Zwar sieht die Klausel - im Gegensatz zu der Klausel, die Gegenstand der "Payback"-Entscheidung vom 16. Juli 2008 war - nicht die Möglichkeit vor, zu ihrer Abwahl ein zusätzliches Kästchen anzukreuzen, sondern weist fettgedruckt auf die Möglichkeit zur Streichung der Klausel hin. Die Möglichkeit zur Abwahl durch Ankreuzen ist aber nicht zwingend, wenn die Klausel eine andere Abwahlmöglichkeit enthält und dem Hervorhebungserfordernis des § 4a Abs. 1 BDSG gerecht wird. Das ist hier der Fall. Die Klausel 1 ist in der Mitte des eine Druckseite umfassenden Formulars platziert und als einziger Absatz der Seite mit einer zusätzlichen Umrahmung versehen, so dass sie schon deshalb Aufmerksamkeit auf sich zieht. Der fettgedruckten Überschrift lässt sich schon aufgrund des verwendeten Worts "Einwilligung" unmittelbar entnehmen, dass sie ein rechtlich relevantes Einverständnis des Verbrauchers mit Werbungs- und Marketingmaßnahmen enthält, die - was einem durchschnittlich verständigen Verbraucher bekannt ist - in aller Regel mit einer Speicherung und Nutzung von Daten einhergehen.

Daran hat sich auch durch die Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes mit Wirkung vom 1. September 2009 nichts geändert. Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG nF ist die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie nach § 28 Abs. 3a Satz 2 BDSG nF in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorzuheben. Die in der Regelung enthaltenen Anforderungen sollen nach der Gesetzesbegründung denen entsprechen, die der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 16. Juli 2008 an die Hervorhebung der Einwilligungserklärung gestellt hat. Auch nach der neuen Fassung des Bundesdatenschutzgesetzes ist somit eine "opt-out"-Regelung zur Erteilung der Einwilligung in die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke der Werbung per Post zulässig. Eine darüber hinausgehende Einwilligung in die Verwendung solcher Daten für Werbung im Wege elektronischer Post (SMS, E-Mail), die nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG wirksam nur durch eine gesondert abzugebende Erklärung ("opt-in") erteilt werden kann, ist - anders als im "Payback"-Fall - nicht Gegenstand der von der Beklagten verwendeten Klausel.

Die zweite, vor der Unterschriftenzeile platzierte Klausel, die das Berufungsgericht nicht beanstandet hat, lautet:

"Die Teilnahme an HappyDigits erfolgt auf Grundlage der Allgemeinen Teilnahmebedingungen, die Sie mit Ihrer Karte erhalten und die Sie dann mit Ihrer ersten Aktivität, z.B. Sammeln, anerkennen."

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass diese Klausel unwirksam ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 305 Abs. 2, § 308 Nr. 5 BGB). Sie soll die Einbeziehung der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Teilnahmebedingungen in die zu schließenden Verträge bewirken, ohne dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen eingehalten sind (§ 305 Abs. 2 BGB). Voraussetzung für die wirksame Einbeziehung ist unter anderem, dass der Verwender der anderen Vertragspartei bei Vertragsabschluss die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von dem Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Klausel geht aber davon aus, dass die Allgemeinen Teilnahmebedingungen den Teilnehmern bei Abgabe des Teilnahmeantrags nicht vorliegen, sondern erst später mit der Karte übersandt werden. In den somit ohne Einbeziehung der Allgemeinen Teilnahmebedingungen zustande gekommenen Vertrag sollen diese sodann nachträglich dadurch einbezogen werden, dass das Einverständnis der Teilnehmer mit der darin liegenden Vertragsänderung durch die erste Verwendung der Karte unter Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB fingiert wird. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher.

Stand: 11.11.2009

BGH, Zulässigkeit einer Lehrerbewertung im Internet (www.spickmich.de)
Urteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08

Fundstelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 137/2009

Aus den Gründen:

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Bewertung der Leistungen der Klägerin als Lehrerin mit Namensnennung durch Schüler auf der Website www.spickmich.de, die von den Beklagten gestaltet und verwaltet wird. Zugang zu dem Portal haben nur registrierte Nutzer. Die Registrierung erfolgt nach Eingabe des Namens der Schule, des Schulortes, eines Benutzernamens und einer E-Mail-Adresse. An die E-Mail-Adresse wird ein Passwort versandt, das den Zugang zu dem Portal eröffnet. Die mit den Schulnoten 1 bis 6 abzugebenden Bewertungen sind an vorgegebene Kriterien gebunden wie etwa "cool und witzig", "beliebt", "motiviert", "menschlich", "gelassen" und "guter Unterricht". Ein eigener Textbeitrag des Bewertenden ist nicht möglich. Aus dem Durchschnitt der anonym abgegebenen Bewertungen wird eine Gesamtnote errechnet. Die Nutzer können außerdem auf einer Zitatseite angebliche Zitate der bewerteten Lehrer einstellen. Die Klägerin, deren Name und Funktion auch der Homepage der Schule, an der sie unterrichtet, entnommen werden kann, erhielt für das Unterrichtsfach Deutsch eine Gesamtbewertung von 4,3. Ihr zugeschriebene Zitate wurden bisher nicht eingestellt. Mit der Klage verfolgt die Klägerin einen Anspruch auf Löschung bzw. Unterlassung der Veröffentlichung ihres Namens, des Namens der Schule, der unterrichteten Fächer im Zusammenhang mit einer Gesamt- und Einzelbewertung und der Zitat- und Zeugnisseite auf der Homepage www.spickmich.de. Sie blieb in den Vorinstanzen erfolglos.

Der u. a. für den Schutz des Persönlichkeitsrechts und Ansprüche aus dem Bundesdatenschutzgesetz zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die dagegen von der Klägerin eingelegte Revision zurückgewiesen.

Unter den Umständen des Streitfalls hat der BGH die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten trotz der fehlenden Einwilligung der Klägerin für zulässig gehalten. Zwar umfasst der Begriff der personenbezogenen Daten nicht nur klassische Daten wie etwa den Namen oder den Geburtsort, sondern auch Meinungsäußerungen und Beurteilungen, die sich auf einen bestimmten oder bestimmbaren Betroffenen beziehen. Für die Erhebung, Speicherung und Übermittlung solcher Daten in automatisierten Verfahren gelten grundsätzlich die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Erhebung und Speicherung von Daten zur Übermittlung an Dritte ist auch ohne Einwilligung des Betroffenen nach § 29 BDSG u.a. dann zulässig, wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und -speicherung nicht gegeben ist. Ein entgegenstehendes Interesse der Klägerin hat der BGH nach Abwägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und des Rechts auf freien Meinungsaustausch andererseits für nicht gegeben erachtet. Die Bewertungen stellen Meinungsäußerungen dar, die die berufliche Tätigkeit der Klägerin betreffen, bei der der Einzelne grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie in der Privatsphäre genießt. Konkrete Beeinträchtigungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Äußerungen sind weder schmähend noch der Form nach beleidigend. Dass die Bewertungen anonym abgegeben werden, macht sie nicht unzulässig, weil das Recht auf Meinungsfreiheit nicht an die Zuordnung der Äußerung an ein bestimmtes Individuum gebunden ist. Die Meinungsfreiheit umfasst grundsätzlich das Recht, das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen.

Auch die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an den Nutzer kann nur aufgrund einer Gesamtabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen und dem Recht auf Kommunikationsfreiheit im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Im Streitfall ist im Hinblick auf die geringe Aussagekraft und Eingriffsqualität der Daten und die Zugangsbeschränkungen zum Portal die Datenübermittlung nicht von vornherein unzulässig. Besondere Umstände, die der Übermittlung im konkreten Fall entgegenstehen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Stand: 02.07.2009

18. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht NRW verfügbar

Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen hat den 18. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht (Berichtszeitraum 01.01.2005 - 31.12.2006) auf der Webseite http://www.lfd.nrw.de zum Download bereitgestellt.

Fundstelle: http://www.lfd.nrw.de/pressestelle/ presse_7_1_komplett.html

Anmerkung:

Auch der 18. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht gibt einen lesenswerten Einblick in die aktuellen Entwicklungen im Datenschutzrecht.

Behandelt werden zum Beispiel das Thema der Vorratsdatenspeicherung im Internet, das neue Telemediengesetz, die Veröffentlichung personenbezogener Daten in Weblogs und Foren, die Ausweitung der Videoüberwachung, der Rasterfahndung, der biometrischen Reisepässe und aktuelle Entwicklungen der Informationsfreiheit.

Zwar sind die Erfahrungen mit dem nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetz (IFG NRW) überwiegend positiv, dennoch gibt es auch im jetzigen Berichtszeitraum immer wieder Probleme mit den zur Auskunft verpflichteten Behörden. Trotz eindeutiger gesetzliche Regelung und immer gefestigter Rechtsprechung blieb die Zahl der Anfragen und Beschwerden beider Landesdatenschutzbeauftragen im Vergleich zum vorangegangenen Berichtszeitraum gleich.

Obwohl die Erteilung einer mündlichen oder einfachen schriftlichen Auskunft sowie einer Akteneinsicht in einem einfachen Fall nach dem Gebührentarif der Verwaltungsgebührenordnung zum Informationsfreiheitsgesetz NRW (VerwGebO IFG NRW) gebührenfrei ist. Versuchten im Zeitraum des 17. Berichts noch manche Behörden durch die Angabe der denkbar höchsten Gebühr die interessierten Bürger abzuschrecken, wird im aktuellen Berichtszeitraum vor allem die Frage, welcher ob und Aufwand berechnet werden darf, sowie die Frage, ob Nachfragen Nachforderungen auslösen, behandelt.

Stand: 18.02.2007

17. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht NRW verfügbar

Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen hat den 17. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht (Berichtszeitraum 01.01.2003 - 31.12.2004) auf der Webseite http://www.lfd.nrw.de zum Download bereitgestellt.

Fundstelle: http://www.lfd.nrw.de/pressestelle/ presse_7_1_komplett.html

Anmerkung:

Auch der aktuelle Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht gibt einen lesenswerten Einblick in die aktuellen Entwicklungen im Datenschutzrecht und dem Recht auf Informationsfreiheit.

Neben einem Einblick in neue Techniken wie RFID oder VoIP (= Voice over IP) beschäftigt sich der Bericht auch mit der GEZ und dem Adresshandel, der umstrittenen Inverssuche (vgl. Telekommunikationsrecht), der Vorratsdatenspeicherung, SPAM oder der Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Auch das noch junge Recht auf Informationsfreiheit wird behandelt. Wie der Bericht zeigt, ist das Informations-freiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) nicht jeder Behörde genehm. Die Landesdatenschutzbeauftragte zeigt interessante Beispiele aus der Verwaltungspraxis und weist richtigerweise darauf hin, dass auch jede mittelbare Beeinträchtigung der Wahrnehmung des Rechts auf Informationszugang unzulässig ist.

Bekannt wurde beispielsweise der Versuch mancher Behörden Interessierte durch die Angabe der denkbar höchsten Gebühr abzuschrecken:

"Der Anspruch auf Informationszugang stößt nicht in jeder Behörde auf Gegenliebe. Kann das Informationsbegehren nicht durch die im Gesetz vorgesehenen Ausschlussgründe abgelehnt werden, versucht es die informationspflichtige Stelle auch schon mal mit der Gebührenfalle.

[...] Zu beanstanden ist auch die in Einzelfällen festgestellte Methode, die informationssuchende Person durch die schlichte Ankündigung des vorgesehenen Gebührenrahmens (10 EUR bis 1.000 EUR) von der Wahrnehmung ihres Informationszugangsrechtes abzuschrecken. Eine Gebühr nach § 11 IFG NRW darf aber überhaupt nur erhoben werden, wenn mit der erteilten Auskunft oder der gewährten Akteneinsicht ein erheblicher Vorbereitungs- oder Verwaltungsaufwand verbunden ist. Selbst wenn ein erheblicher Aufwand zur Gebührenerhebung berechtigt, muss der geforderte Betrag von der Behörde nachvollziehbar und in angemessener Höhe festgesetzt werden. Durch die Gebühr soll lediglich der durch die Informationsgewährung unmittelbar zusätzlich entstandene Verwaltungsaufwand ausgeglichen werden.", 17. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht, S. 173 f.

Stand: 23.03.2005