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Verjährung von Urlaubsansprüchen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20 –

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Beklagte beschäftigte die Klägerin vom 1. November 1996 bis zum 31. Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Beklagte an die Klägerin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro brutto. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Beklagte nicht nach.

Während das Arbeitsgericht die am 6. Februar 2018 eingereichte Klage – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – abgewiesen hat, sprach das Landesarbeitsgericht der Klägerin 17.376,64 Euro brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das Landesarbeitsgericht den Einwand des Beklagten, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend.

Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Senat hat damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, Mitteilung der Pressestelle 48/22

BAG, Gegenläufige betriebliche Übung - Weihnachtsgeld
Urteil vom 18.3.2009, 10 AZR 281/08 -

Leitsätze:
1. Hat ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer jahrelang vorbehaltlos Weihnachtsgeld gezahlt, wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung nicht dadurch aufgehoben, dass der Arbeitgeber später bei der Leistung des Weihnachtsgeldes erklärt, die Zahlung des Weihnachtsgeldes sei eine freiwillige Leistung und begründe keinen Rechtsanspruch, und der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspricht.

2. Erklärt ein Arbeitgeber unmissverständlich, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Weihnachtsgeldzahlung beendet werden und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, kann nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 nach § 308 Nr 5 BGB eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme der Zahlung durch den Arbeitnehmer nicht mehr den Verlust des Anspruchs auf das Weihnachtsgeld bewirken (Aufgabe der Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung, vgl. BAG 4. Mai 1999 - 10 AZR 290/98 - BAGE 91, 283; 26. März 1997 - 10 AZR 612/96 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr 38).

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de

Aus den Gründen:

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.354,08 Euro brutto. Der Kläger ist seit dem 1. August 1971 bei der Beklagten als Spezialbaufacharbeiter gegen einen Stundenlohn iHv. zuletzt 14,56 Euro brutto beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Die nicht tarifgebundene Beklagte zahlte dem Kläger seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahr 2005 Weihnachtsgeld. Dieses erhielten der Kläger und die anderen Arbeitnehmer der Beklagten zunächst am Jahresende. Für die Jahre 2002 bis 2005 zahlte die Beklagte das Weihnachtsgeld jeweils in drei Raten. Die erste Rate leistete die Beklagte jeweils im November, die zweite Rate jeweils im Dezember und die dritte Rate jeweils im Januar des Folgejahres. Mit Ausnahme der Lohnabrechnungen für November 2002 und November 2003 enthielten die Lohnabrechnungen der Beklagten für die Monate, in denen sie dem Kläger und ihren anderen Arbeitnehmern für die Jahre 2002 bis 2005 Weihnachtsgeldraten zahlte, jeweils den handschriftlichen Vermerk: "Die Zahlung des Weihnachtsgeldes ist eine freiwillige Leistung und begründet keinen Rechtsanspruch!"

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe aufgrund betrieblicher Übung für das Jahr 2006 Weihnachtsgeld zu. Er habe einer abändernden betrieblichen Übung nicht zugestimmt, sondern mit einem anwaltlichen Schreiben vom 20. Februar 2002 dem Freiwilligkeitsvorbehalt in den Lohnabrechnungen ausdrücklich widersprochen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2006. Falls sie aus betrieblicher Übung zur Zahlung von Weihnachtsgeld verpflichtet gewesen sein sollte, sei diese Verpflichtung jedenfalls durch eine gegenläufige betriebliche Übung aufgehoben worden. Von ihren insgesamt 42 Arbeitnehmern habe auch nur der Kläger die Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 geltend gemacht. Ein anwaltliches Schreiben des Klägers vom 20. Februar 2002 habe sie nicht erhalten.

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte schuldet dem Kläger für das Jahr 2006 Weihnachtsgeld in unstreitiger Höhe von 1.354,08 Euro brutto.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger aus betrieblicher Übung Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 zusteht. Für jährlich an die gesamte Belegschaft gezahlte Gratifikationen besteht die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt (st. Rspr., vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - NZA 2008, 1173; 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - BAGE 118, 360, 368 f.).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch des Klägers auf Weihnachtsgeld nicht durch eine geänderte betriebliche Übung aufgehoben worden. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger den Freiwilligkeitsvorbehalten der Beklagten in den Lohnabrechnungen nicht widersprochen hat.

Allerdings konnte nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats eine betriebliche Übung durch eine geänderte betriebliche Übung beendet werden (26. März 1997 - 10 AZR 612/96 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38). Der Senat hat dies bei Gratifikationszahlungen dann angenommen, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, die Zahlung der Gratifikation sei eine freiwillige Leistung, auf die zukünftig kein Rechtsanspruch bestehe, und die Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprochen haben. Aufgrund der dadurch zustande gekommenen konkludenten Vereinbarung sei der Arbeitgeber nicht mehr zur Zahlung der Gratifikation verpflichtet. Durch die dreimalige widerspruchslose Annahme einer ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation schaffe der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Dieser habe aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers keine Veranlassung, eine ausdrückliche Änderung der vertraglichen Abrede herbeizuführen. [...]

Der Senat hält nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002, mit dem die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG aufgegeben wurde, an seiner Rechtsprechung zur Verschlechterung oder Beseitigung vertraglicher Ansprüche von Arbeitnehmern auf Sonderzahlungen aufgrund einer gegenläufigen betrieblichen Übung nicht fest. Eine dreimalige widerspruchslose Annahme einer vom Arbeitgeber unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation kann nach § 308 Nr. 5 BGB nicht mehr den Verlust eines vertraglichen Anspruchs auf die Gratifikation bewirken. [...]

Erklärt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Gratifikationszahlung beendet werden und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, und wird diese Erklärung als Änderungsangebot verstanden, liegt eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB vor. Die Annahme, durch eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation werde die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung beendet, ist mit dem Klauselverbot für fingierte Erklärungen in § 308 Nr. 5 BGB nicht zu vereinbaren.

Stand: 16.06.2009

BAG, Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen
Urteil vom 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 -

Leitsätze (des Verfassers):
Der Arbeitgeber kann bei Sonderzahlungen grundsätzlich einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung für künftige Bezugszeiträume ausschließen. In einem Formulararbeitsvertrag muss ein solcher Hinweis allerdings dem Transparenzgebot entsprechen, also klar und verständlich sein. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einerseits im Formulararbeitsvertrag eine Sonderzahlung in einer bestimmten Höhe ausdrücklich zusagt und eine andere Vertragsklausel in Widerspruch dazu regelt, dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung hat.

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de, Pressemitteilung Nr. 59/08

Aus den Gründen:

Der Arbeitgeber kann bei Sonderzahlungen - anders als bei laufendem Arbeitsentgelt - grundsätzlich einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung für künftige Bezugszeiträume ausschließen. Er kann sich die Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er künftig Sonderzahlungen gewährt. Für die Wirksamkeit eines solchen Freiwilligkeitsvorbehalts kommt es nicht auf den vom Arbeitgeber mit der Sonderzahlung verfolgten Zweck an. Der Vorbehalt ist auch dann wirksam, wenn der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich honoriert. Der Arbeitgeber muss auch nicht jede einzelne Sonderzahlung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbinden. Es genügt ein entsprechender Hinweis im Arbeitsvertrag. Ein solcher Hinweis muss in einem Formulararbeitsvertrag allerdings dem Transparenzgebot gerecht werden. Er muss deshalb klar und verständlich sein. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einerseits im Formulararbeitsvertrag eine Sonderzahlung in einer bestimmten Höhe ausdrücklich zusagt und eine andere Vertragsklausel in Widerspruch dazu regelt, dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung hat.

Auf die Zahlung von Weihnachtsgratifikation in Höhe ihres Bruttomonatsgehalts geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, der im Arbeitsvertrag diese Gratifikation ausdrücklich zugesagt worden war. Im Arbeitsvertrag war darüber hinaus geregelt, dass ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation nicht besteht und dass diese eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers darstellt, wenn sie gewährt wird. Die Vorinstanzen hatten die Klage deshalb abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Bei den zur Zahlung der Weihnachtsgratifikation von den Parteien getroffenen Vereinbarungen handelt es sich um Allgemeine Vertragsbedingungen. Soweit diese einen Rechtsanspruch der Klägerin auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe ihres monatlichen Bruttogehalts ausschließen, widersprechen sie der Zusage des Arbeitgebers, der Klägerin eine Weihnachtsgratifikation in Höhe ihres monatlichen Bruttogehalts zu zahlen. Die Klauseln sind insoweit nicht klar und verständlich und deshalb unwirksam. Widerrufs- und Freiwilligkeitsklauseln schließen sich aus. Der Widerruf einer Leistung durch den Arbeitgeber setzt einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung voraus. Hat der Arbeitnehmer auf Grund eines Freiwilligkeitsvorbehalts dagegen keinen Anspruch auf die Leistung, geht ein Widerruf der Leistung ins Leere.

Stand: 30.07.2008

BAG, Kein Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG bei Rücknahme der Kündigungsschutzklage
Urteil vom 13. Dezember 2007 - 2 AZR 971/06 -

Leitsätze (des Verfassers):
Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage schließt den Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG auch dann aus, wenn der Arbeitnehmer die Klage oder einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung wieder zurücknimmt.

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de, Pressemitteilung Nr. 93/07

Aus den Gründen:

Nach § 1a KSchG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt und der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist klagt. Der Anspruch entsteht nach dem Gesetz jedoch nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben auf die vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen (Anspruch auf Abfindung bei Betriebsbedingtheit der Kündigung und Verstreichenlassen der Klagefrist) hinweist.

Der Zweck der gesetzlichen Regelung besteht darin, eine außergerichtliche Streiterledigung zu fördern, um eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses zu vermeiden.

Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage schließt ebenso wie ein Antrag auf nachträgliche Klagezulassung den Abfindungsanspruch aus. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer seine Klage oder seinen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung wieder zurücknimmt. Ansonsten würde der Arbeitgeber - auch durch den nachträglichen Klagezulassungsantrag - doch mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert werden, die er gerade mit dem Angebot einer Abfindungszahlung vermeiden wollte.

Die Klägerin war seit 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Nach Rückkehr aus der Elternzeit unterbreitete ihr die Beklagte ein Angebot zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. In der Folgezeit verhandelten die Parteien ergebnislos über die Beendigungsvereinbarung. Die Beklagte sprach am 4. März 2005 eine Kündigung aus, die ein Abfindungsangebot nach § 1a KSchG enthielt. Die Klägerin erhob hiergegen Kündigungsschutzklage, jedoch gerichtet gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Sie nahm diese Klage zurück und erhob erneut am 21. April 2005 eine Klage gegen die Beklagte verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung, die sie beide am 23. Mai 2005 ebenfalls zurücknahm.

Mit der Klage hat die Klägerin u.a. die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 9.900,00 Euro nach § 1a KSchG begehrt. Die Beklagte hat die Forderung mit der Begründung abgelehnt, die Erhebung der Kündigungsschutzklage stehe dem entgegen. Daran ändere auch die anschließende Klagerücknahme nichts.

Das Arbeitsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Stand: 04.01.2008

BAG, Kündigung wegen Surfens im Internet während der Arbeitszeit
Urteil vom 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 -

Leitsätze:
Eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich, in der Regel schuldhaft verletzt.

Auch wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb nicht untersagt ist, kann sie eine solche erhebliche Pflichtverletzung darstellen und den Arbeitgeber zur Kündigung ohne vorherige Abmahnung berechtigen. Ob sie das für eine Kündigung erforderliche Gewicht hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de, Pressemitteilung Nr. 39/07

Aus den Gründen:

Eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich, in der Regel schuldhaft verletzt. Auch wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb nicht untersagt ist, kann sie eine solche erhebliche Pflichtverletzung darstellen und den Arbeitgeber zur Kündigung ohne vorherige Abmahnung berechtigen. Ob sie das für eine Kündigung erforderliche Gewicht hat, hängt ua. von ihrem Umfang, der etwa damit einhergehenden Versäumung bezahlter Arbeitszeit oder einer durch die Art der Nutzung herbeigeführten Gefahr der Rufschädigung des Arbeitgebers ab.

Der Kläger war seit 1999 bei der Beklagten als Bauleiter beschäftigt. Für seine Tätigkeit stand ihm ein dienstlicher PC zur Verfügung, den er nicht allein nutzte und für dessen Nutzung die Beklagte keine Vorgaben gemacht hatte. Bei einer Kontrolle des PC stellte die Beklagte fest, dass von dem PC häufig Internetseiten mit vorwiegend erotischem oder pornografischem Inhalt aufgerufen und dass Bilddateien mit solchem Inhalt abgespeichert worden waren. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht, ohne den Kläger vorher abgemahnt zu haben.

Mit seiner Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und die Vorwürfe bestritten. Die Beklagte hat insbesondere geltend gemacht, der Kläger habe die während der privaten Internetnutzung nicht erledigte Arbeit in Überstunden nachgeholt und sich dies auch noch vergüten lassen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht sie abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur weiteren Sachaufklärung. Ob der Kläger das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in kündigungsrelevanter Weise genutzt oder auch andere mit der Nutzung im Zusammenhang stehende Pflichtverletzungen begangen hat, konnte mangels entsprechender tatrichterlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht abschließend beurteilt werden.

Anmerkung:

Das Bundesarbeitsgericht hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (vgl. auch Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04 -).

Auch wenn ein Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verboten hat, verstößt ein Arbeitnehmer mit einer intensiven zeitlichen Nutzung des Internets während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Diese Pflichtverletzung kann ein wichtiger Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein.

Ob ein solches Verhalten sogar eine außerordentliche (fristlose) Kündigung rechtfertigen kann, hängt nach Ansicht des Gerichts von Umfang der Privatnutzung, der etwa damit einhergehenden Versäumung bezahlter Arbeitszeit oder einer durch die Art der Nutzung herbeigeführten Gefahr der Rufschädigung des Arbeitgebers ab.

Stand: 31.05.2007

BAG, Änderung der "Kleinbetriebsklausel" im KSchG ab dem 1. Januar 2004 und Schutz von "Alt-Arbeitnehmern"
Urteil vom 21. September 2006 - 2 AZR 840/05 -

Leitsatz:
Bei einem späteren Absinken der Zahl der am 31. Dezember 2003 beschäftigten Arbeitnehmer auf fünf oder weniger Personen besteht für die verbleibenden "Alt-Arbeitnehmer" kein Schutz nach dem KSchG, wenn im Betrieb insgesamt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de

Aus den Gründen:

Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden, keinen allgemeinen Kündigungsschutz. Nach Satz 3 der Norm in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung gilt das KSchG in Betrieben, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden, nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat nunmehr entschieden, dass bei einem späteren Absinken der Zahl der am 31. Dezember 2003 beschäftigten Arbeitnehmer auf fünf oder weniger Personen keiner der im Betrieb verbleibenden "Alt-Arbeitnehmer" weiterhin Kündigungsschutz genießt, soweit in dem Betrieb einschließlich der seit dem 1. Januar 2004 eingestellten Personen insgesamt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dies gilt auch dann, wenn für ausgeschiedene "Alt-Arbeitnehmer" andere Arbeitnehmer eingestellt worden sind. Eine solche "Ersatzeinstellung" reicht nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Besitzstandsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG für deren Anwendung nicht aus.

Der Kläger war bei der Beklagten, einer Wertpapierhandelsbank, seit August 2003 angestellt. Am Stichtag 31. Dezember 2003 beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 30. November 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich. Zu diesem Zeitpunkt waren bei ihr einschließlich des Klägers weniger als zehn Arbeitnehmer regelmäßig tätig. Neben dem Kläger arbeiteten nur noch zwei Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2003 bei der Beklagten beschäftigt waren. Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, er genieße den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Dieses Gesetz sei auf Grund der Übergangsregelung auf "Alt-Fälle" anwendbar.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos.

Stand: 26.09.2006

BAG, Rückzahlungsklausel von Ausbildungskosten in vorformulierten Arbeitsverträgen
Urteil vom 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 -

Leitsätze:
Haben die Parteien in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag vereinbart, dass ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist vom Arbeitgeber übernommene Ausbildungskosten zurückzahlen muss, ohne dass es auf den Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ankommt, ist diese Rückzahlungsklausel unwirksam.

Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist damit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus.

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de

Zum Sachverhalt:

Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin, einem technischen Überwachungsverein, beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag war vereinbart, dass er nach Abschluss einer entsprechenden Ausbildung als amtlich anerkannter Sachverständiger mit Teilbefugnissen für den Kraftfahrzeugverkehr eingesetzt werden sollte. Der Arbeitsvertrag enthielt unter anderem folgende Klausel:

Die voraussichtlichen Ausbildungskosten werden ca. DM 15.000,00 betragen. Sie gelten für die Dauer von 2 Jahren ab dem Ausbildungsende als Vorschuss. Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf dieser Zeit beendet, verpflichtet sich der Mitarbeiter, den Betrag, der nach abgeschlossener Ausbildung genau ermittelt und dem Mitarbeiter gesondert mitgeteilt wird, anteilig zurückzuzahlen. Dabei wird für jeden Monat 1/24 verrechnet.

Der Arbeitnehmer schloss seine Ausbildung im August 2002 erfolgreich ab. Im Mai 2003 kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2003. Daraufhin forderte die Arbeitgeberin von ihm die Ausbildungskosten in Höhe von 5.028,93 EUR zurück.

Das Bundearbeitsgericht (BAG) hat einen Rückzahlungsanspruch der Arbeitgeberin verneint und hierzu ausgeführt:

Haben die Parteien in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag vereinbart, dass ein Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist vom Arbeitgeber übernommene Ausbildungskosten zurückzahlen muss, ohne dass es auf den Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ankommt, ist diese Rückzahlungsklausel unwirksam.

Eine solche Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Infolgedessen ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Eine geltungserhaltene Reduktion, also eine Auslegung der Klausel dahingehend, dass sie nur für den Fall gilt, dass das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer selbst oder wegen eines von ihm zu vertretenden Grundes durch den Arbeitgeber beendet wird, scheidet aus. Dem steht das generelle Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion entgegen (vgl. BGHZ 143, S. 103 (S. 118 ff.) m.w.N.).

Stand: 12.04.2006

BAG, Erfüllung des Urlaubsanspruchs - unwiderrufliche Befreiung von der Arbeitspflicht
Urteil vom 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 -

Leitsätze:Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG durch Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht.

Der einmal erteilte Urlaub ist für den Arbeitgeber unwiderruflich. Die Unwiderruflichkeit ist Rechtsfolge der Urlaubserteilung. Hierauf muss der Arbeitgeber bei der Urlaubserteilung nicht gesondert hinweisen.

Behält er sich allerdings den Widerruf des erteilten Urlaubs vor, so hat er keine zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs ausreichende Befreiungserklärung abgegeben.

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de

Sachverhalt:

Der Arbeitgeber stellte den Arbeitnehmer mit Kündigungsschreiben vom 28. Mai 2002 "unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Juli 2002 von der Arbeitsleistung frei". Der Arbeitnehmer verlangte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung des Urlaubs. Der Urlaub sei deswegen nicht während der Kündigungsfrist erfüllt worden, weil der Arbeitgeber ihn im Kündigungsschreiben nicht ausdrücklich unwiderruflich von der Arbeitspflicht befreit habe.

Das BAG hat - ebenso wie die Vorinstanzen - die Klage abgewiesen.

Aus den Gründen:

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers war durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB, da die Urlaubserteilung im Kündigungsschreiben vom 28. Mai 2002 nicht unter dem Vorbehalt des Widerrufs durch den Arbeitgeber erfolgte.

Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG durch Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht. Der einmal erteilte Urlaub ist für den Arbeitgeber unwiderruflich. Die Unwiderruflichkeit ist Rechtsfolge der Urlaubserteilung.

Hierauf muss der Arbeitgeber bei der Urlaubserteilung nicht gesondert hinweisen. Behält er sich allerdings den Widerruf des erteilten Urlaubs vor, so hat er keine zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs ausreichende Befreiungserklärung abgegeben. Dies war vorliegend aber nicht der Fall.

Stand: 13.03.2006

BAG, Kein gesetzlicher Zuschlag bei Sonn- und Feiertagsarbeit
Urteil vom 11. Januar 2006 - 5 AZR 97/05 -

Leitsätze:Arbeitnehmer, die an Sonn- und Feiertagen arbeiten, haben keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Zuschlag zur Arbeitsvergütung. Für die an Sonn- oder Feiertagen geleistete Arbeit ist gem. § 11 Abs. 3 ArbZG ein Ersatzruhetag zu gewähren.

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de

Sachverhalt:

Der Kläger war als Tankwart an einer Autobahntankstelle im Schichtdienst beschäftigt, wobei er auch Sonn- und Feiertagsarbeit leistete. Seine auf die Bezahlung gesetzlicher Sonn- und Feiertagszuschläge gerichtete Klage war in allen Instanzen erfolglos.

Aus den Gründen:

Arbeitnehmer, die an Sonn- und Feiertagen arbeiten, haben keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Zuschlag zur Arbeitsvergütung. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 11 Abs. 2 ArbZG.

Soweit dort auch auf § 6 Abs. 5 ArbZG verwiesen wird, handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung. Das hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer einen Zuschlag verlangen kann, wenn er an Sonn- oder Feiertagen Nachtarbeit leistet. Für die an Sonn- oder Feiertagen geleistete Arbeit ist gem. § 11 Abs. 3 ArbZG ein Ersatzruhetag zu gewähren.

Stand: 11.01.2006

BAG, Außerordentliche (fristlose) Kündigung wegen privater Nutzung des Internets während der Arbeitszeit
Urteil vom 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 -

Leitsätze:
Auch wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verboten hat, verletzt der Arbeitnehmer mit einer intensiven zeitlichen Nutzung des Internets während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer auf Internetseiten mit pornographischem Inhalt zugreift.

Diese Pflichtverletzung kann ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein. Ob die Kündigung in einem solchen Fall im Ergebnis wirksam ist, ist auf Grund einer Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

Fundstelle: Pressemitteilung Nr. 43/05 des BAG

Sachverhalt:

Der gekündigte Arbeitnehmer (Kläger) war seit 1985 bei dem beklagten Arbeitgeber als Schichtführer mit Aufsichtsfunktionen beschäftigt. Im Jahre 2002 schaltete der Arbeitgeber einen Internetzugang für die Mitarbeiter des Betriebes frei.

Auf der Intranet-Startseite des Arbeitgebers befindet sich seit dessen Einrichtung im Jahre 1999 oben links eine rot unterlegte Schrift, die besagt: "Intranet und Internet nur zum dienstlichen Gebrauch". Die Schrift ist als Link ausgestaltet. Wird sie angeklickt, erfolgt ein weiterer Warnhinweis, wonach jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt protokolliert wird. Weiter wird darauf hingewiesen, dass alle Mitarbeiter, die entsprechende Internetseiten aufrufen, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

Nachdem der Arbeitgeber in der Folgezeit einen erheblichen Anstieg der Internetkosten bemerkte, stellte der werkseigene Ermittlungsdienst fest, dass in der Zeit von September bis November 2002 von den Schichtführerzimmern auf Internetseiten zugegriffen worden war. Hierbei waren auch Seiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen worden.

Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer eine private Internetnutzung von insgesamt 18 Stunden einschließlich 5 Stunden für ein "Surfen" auf pornographischen Seiten vorgeworfen. Mit Schreiben vom 20.12.2002 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich (fristlos), hilfsweise ordentlich zum 31.03.2003. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage. Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Arbeitnehmer Zugriffe auf das Internet eingeräumt; auch während der Arbeitszeit. Weiter führte der Arbeitnehmer an, er habe das Internet jedoch höchstens für ca. 5 - 5,5 Stunden privat genutzt. Davon habe er allenfalls 55 - 70 Minuten Seiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen. Von einem Verbot des Arbeitgebers, auf Internetseiten mit pornographischem Inhalt zuzugreifen und entsprechenden Warnhinweisen habe er keine Kenntnis gehabt.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Die Revision des Arbeitgebers hatte Erfolg. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mainz aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Landesarbeitsgericht muss nun aufklären, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung durch das Surfen im Internet zu privaten Zwecken nicht erbracht hat. Weiter ist zu prüfen, welche Kosten dem Arbeitgeber durch die private Internetnutzung entstanden sind und ob durch das Aufrufen der pornographischen Seiten der Arbeitgeber einen Imageverlust erlitten haben könnte.

Weiter hat das Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob es je nach dem Gewicht der noch zu konkretisierenden Pflichtverletzungen vor Ausspruch der Kündigung einer Abmahnung bedurft hätte und ob unter Berücksichtigung der langen Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers und des unter Umständen nicht klaren Verbots der Internetnutzung zu privaten Zwecken eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverhältnismäßig ist.

Anmerkung:

Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen, schafft sie zumindest ansatzweise Klarheit über die in den Untergerichten umstrittene Frage einer Kündigung wegen privater Nutzung des Internets während der Arbeitszeit.

Bisher liegt der Volltext der Entscheidung noch nicht vor, so dass eine ausführliche Beurteilung der Gründe des BAG nicht möglich ist. Aus der veröffentlichen Pressemitteilung geht aber hervor, dass privates Internet-Surfen eine Arbeitspflichtverletzung ist und auch einen wichtigen Grund zu einer fristlosen Kündigung darstellen kann.

Ob die Kündigung in einem solchen Fall im Ergebnis wirksam ist, ist auf Grund einer Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Hierbei sind die Schädigung des Arbeitgebers (Bezahlung trotz privatem Surfen im Netz, Kosten der Internetnutzung, Imageschädigung) ebenso zu berücksichtigen wie die langjährige Arbeitszeit des Arbeitnehmers.

Stand: 08.07.2005

BAG, Videoüberwachung am Arbeitsplatz - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Urteil vom 29.06.2004 (Az. 1 ABR 21/03)

Leitsätze:
Die Einführung einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz unterfällt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Die Betriebsparteien haben dabei gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu beachten.

Für die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung sind die Gesamtumstände maßgeblich. Mitentscheidend ist insbesondere die Intensität des Eingriffs.

Fundstelle: http://www.bundesarbeitsgericht.de

Aus den Gründen:

Die Betriebsparteien sind grundsätzlich befugt, Regelungen über die Einführung einer Videoüberwachung zu treffen. Dies folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Die Betriebsparteien haben hierbei höherrangiges Recht zu beachten. Sie haben nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Diese Pflicht stellt eine Schranke für die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien und den Inhalt der getroffenen Regelungen dar.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst neben dem Recht am gesprochenen Wort auch das Recht am eigenen Bild. Ebenso wie beim gesprochenen Wort gehört es zum Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen.

Die den Betriebsparteien durch § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auferlegte Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen, verbietet nicht jede Betriebsvereinbarung, die zu einer Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt.

Der Eingriff muss aber, sofern er nicht durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gestattet ist, durch schutzwürdige Belange anderer Grundrechtsträger, wie beispielsweise dem Arbeitgeber gerechtfertigt sein.

Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers ist eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich.

Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss die getroffene Regelung geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist die Regelung, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist die Regelung, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Hier bedarf es einer Gesamtabwägung.

Eine Videoüberwachung stellt grundsätzlich einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht aller in der überwachten Stelle beschäftigten Arbeitnehmer dar. Für diesen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gab es im konkreten Fall keine hinreichende Rechtfertigung.

Eine Einwilligung der Arbeitnehmer in die zeitlich unbegrenzte Videoüberwachung lag nicht vor. Im übrigen wären Betriebsparteien selbst bei Einwilligung der Arbeitnehmer nicht von ihrer Verpflichtung zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte entbunden. Durch die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG soll gerade auch der Gefahr begegnet werden, dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik wird und sein Wissen darum zu erhöhter Abhängigkeit und zur Behinderung der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit führt.

Die Videoüberwachung ist auch nicht ausdrücklich vom Gesetz gestattet. Eine Rechtfertigung folgt insbesondere nicht aus § 6b Abs. 1 BDSG. Die Vorschrift regelt nur die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume und findet auf Videoüberwachungen am Arbeitsplatz jedenfalls dann keine Anwendung, wenn dieser nicht öffentlich zugänglich ist.

Anmerkung:

Eine generelle Beantwortung der Frage der Zulässigkeit einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist nicht möglich, da die Verhältnismäßigkeitsprüfung stets von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig ist.

Insoweit ist auch weiterhin orientiert an den Einzelfallbedingungen zu prüfen, ob ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers ausnahmsweise durch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder eines Dritter gerechtfertigt ist.

Stand: 21.03.2005

BAG, Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen privater Telefongespräche während der Arbeitszeit
Urteil vom 04.03.2004 (Az.: 2 AZR 147/03)

Umfangreiche unerlaubt und heimlich geführte Privattelefonate auf Kosten des Arbeitgebers kommen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (vgl. BAG, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 2 AZR 478/01). Dies gilt um so mehr, wenn es der Arbeitnehmer zulässt, dass durch sein Verhalten ein Verdacht auf unschuldige Kollegen fällt.

Fundstelle: BAG, Urteil vom 4.3.2004, 2 AZR 147/03, Volltext

Anmerkung:

Ebenso wie bereits diverse untergerichtliche Arbeitsgerichte hat das BAG erneut bekräftigt, dass private Telefongespräche über den Anschluss eines Arbeitgebers grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung begründen können. Im entschiedenen Fall hatten die vom Arbeitnehmer zwischen dem 25. März und 14. Mai 2002 nach Mauritius geführten Telefongespräche eine Zeitdauer von 18 Stunden und 11 Sekunden und verursachten Kosten in Höhe von insgesamt 1.355,76 Euro. Im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung wurde zwar die zehnjährige unbeanstandete Tätigkeit des Arbeitnehmers berücksichtigt, diese wiegt einen solch schweren Vertrauensbruch aber nicht auf, vor allem da der Arbeitnehmer zunächst die Verdächtigung Unschuldiger Inkauf nahm.

Bereits verschiedene untergerichtliche Gerichte haben diese Rechtsprechung auch auf Fälle der privaten Internetnutzung übertragen.

Stand: 24.09.2004